Die geschichtliche Entwicklung der Schulgärten

 

Seit der Mensch durch den Sündenfall des Adam von Gott gewissermaßen vor die Tür des Paradieses gesetzt wurde, befindet sich der Mensch auf der Suche nach diesem verlorenen Garten Eden. Im Laufe der Geschichte durch die Jahrtausende versuchte er immer wieder für sich dieses Paradies nachzugestalten. Beispiele kennen wir zu Hauf: den orientalischen Garten, die Hofgärten und den sog. Bauerngarten. Alle diese Gärten haben als Vorbild das Paradies, durchzogen von den vier Flüssen, geometrisch angelegt und umgrenzt von der schützenden Mauer, innerhalb der sich ein friedvolles Zusammenleben zwischen Mensch, Tier und der Pflanzenwelt abspielt. Ein Ideal sollte solch ein Garten sein.

Die Entdeckung fremder Kontinente brachte in den letzten 500 Jahren eine derartige Flut neuer Pflanzenarten nach Europa. Dies hatte vielfältige Veränderungen zur Folge (Ackerbau, Ernährung, Vegetation), wofür die Kartoffel das wohl revolutionärste Beispiel ist. Die ersten Botanischen Gärten wurden gegründet - verbunden mit einem Lehrauftrag.

Als Comenius im 17. Jahrhundert seine didaktischen Schriften verfasste und sich mit der Methodik des Lehrens auseinandersetzte, erwähnte er beiläufig, dass sich bei der Schule auch ein Garten zur Erholung befinden müsse.

Um 1700 entstand der erste Schulgarten, den August Hermann Francke in Halle anlegte, und der nicht mehr nur der Erholung diente. Die Schüler durften hier Pflanzen untersuchen und ein Herbarium anlegen.

Am Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Schulgartenidee von Anhängern des Pädagogen Rousseau fortgesetzt, war aber nach wie vor eher von wissenschaftlichem Charakter. Um 1850 entstanden sog. Liefergärten, die nur zur Aufgabe hatten, Pflanzen für die unterrichtliche Behandlung zu ziehen und an die Schulen auszuliefern.

Kein geringerer als der Namensgeber der Straße in der unsere Schule liegt, Georg Kerschensteiner, forderte in der Jahrhundertwende eine Abkehr vom rein botanischen Schulgarten hin zu einem Schülerarbeitsgarten, der von den Schülern selbst bearbeitet werden sollte und in dem auch biologische Zusammenhänge erfahrbar werden sollten (Teich, Obst-, Gemüse- und Blumengarten, Bienenstand usw.). Auch die Stärkung der Gemeinschaft sollte gefördert werden. Immer mehr Schulgärten entstanden und spielten bis in die 60er Jahre eine wichtige Rolle. In den darauf folgenden 20 Jahren verlor die Schulgartenbewegung an Bedeutung: Gärten wurden aufgelöst, verwilderten oder wurden dem allgemeinen Erscheinungsbild der schulischen Grünflächen angeglichen. Gründe dafür sind in der Schulentwicklung der damaligen Zeit und in den neuen Medien zu suchen: wissenschaftsorientierter und theorieüberladener Unterricht, Unterrichtsfilm, Folien usw. - eine authentische Begegnung mit den Dingen war scheinbar nicht mehr notwendig.

Als sich ab 1980 durch Waldsterben, Klimaveränderung, Luftverschmutzung usw. ein vermehrtes gesellschaftliches Interesse an der Umwelt entwickelt, entstand eine neue Schulgartenbewegung. Im Unterricht geht es wieder um Erfahrung, Erlebnis, Gefühl und Emotion - die Verwissenschaftlichung als einseitiges Extrem scheint kein tragfähiges Konzept mehr darzustellen. Der Schulgarten erweitert seine Funktion und es finden sich die Elemente jeder Epoche wieder: er dient der Erholung, der Botanik, der Natur- und Umwelterziehung, der Erfahrung von Gemeinschaft bei Arbeit und Spiel, der Entwicklung der Sinne und der Frage nach dem Wunder des Lebens und der Begegnung mit Gott. Somit ist er im heutigen fächerübergreifenden Unterricht nicht mehr wegzudenken.

 

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